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Donnerstag, 6. September 2012

Albert Schweitzer erzählt

aus "Das weite Tor"









Aus meinen Kindertagen

Gleich in meiner ersten Schulzeit musste ich mit einem der schwersten Erlebnisse, die die Schule des Lebens für uns bereit hält, fertig werden. Ein Freund verriet mich. - Als ich zum erstenmal das Wort "Krüppel" hörte, wusste ich nicht recht, was ich mir darunter vorstellen sollte. Es schien mir geeignet, einem besonders starken Missfallen Ausdruck zu geben.

Die neu angekommene  Lehrerin Goguel hatte meine Gunst noch nicht erworben. Also wurde sie mit dem geheimnisvollen Worte bedacht. Darum, als ich mit meinem liebsten Kameraden die Kühe hütete, vertraute ich ihm mit geheimnisvoller Miene an: "Das Fräulein ist ein Krüppel, aber du sagst es niemand." Er versprach es.

Kurze Zeit darauf hatten wir auf dem Wege zur Schule einen Wortwechsel. Auf der Treppe raunte er mir dann zu: "Gut, jetzt sag ich aber dem Fräulein, dass du es `Krüppel`geheißen hast." Ich nahm die Drohung nicht ernst, denn ich hielt solchen Verrat nicht für möglich. In der Pause aber ging er wirklich ans Pult und meldete: "Fräulein, der Albert hat gesagt, dass du ein Krüppel bist." - Die Sache hatte keine Folgen, denn das Fräulein verstand nicht, was die Anzeige bedeuten sollte. Ich aber konnte das Schreckliche nicht fassen und brauchte Wochen, bis ich mich damit abgefunden hatte. Nun war ich wissend geworden über das Leben. Von den Streichen, die ich seitdem empfangen habe, waren manche schwerer als der erste. Aber so geschmerzt wie jener hat keiner.

Als ich noch nicht in die Schule ging, hatten wir einen gelben Hund, namens Phylax. Wie manche Hunde konnte er keine Uniformen leiden und ging immer auf den Briefträger los. Also wurde ich angestellt, zur Stunde des Briefträgers Phylax, der bissig war und sich schon an einem Gendarmen vergangen hatte, im Zaum zu halten. Mit einer Gerte trieb ich ihn in einen Winkel des Hofes und ließ ihn nicht eher heraus, bis der Briefträger wieder fort war. Welch stolzes Gefühl, als Tierbändiger vor dem bellenden und zähnefletschenden Hunde zu stehen und ihn mit Schlägen zu meistern, wenn er aus dem Winkel ausbrechen wollte! Aber das stolze Gefühl hielt nicht an. Wenn wir nachher wieder als Freunde beieinander saßen, klagte ich mich an, dass ich ihn geschlagen hatte. Ich wusste, dass ich ihn vom Briefträger auch abhalten konnte, wenn ich ihn beim Halsband fasste und streichelte.

Einen tiefen Eindruck machte mir ein Erlebnis aus meinem siebenten oder achten Jahr, Heinrich Räsch und ich hatten uns Schleudern aus Gummischnüren gemacht. An einem Sonntagmorgen in der Passionszeit sagte er zu mir: "Komm, jetzt gehen wir in den Rehberg und schießen Vögel." Dieser Vorschlag war mir schrecklich, aber ich wagte nicht zu wiedersprechen, aus Angst, er könnte mich auslachen. So kamen wir in die Nähe eines kahlen Baumes, auf dem die Vögel lieblich in den Morgen hinaussangen.  Wie ein jagender Indianer duckend, legte mein Begleiter einen Kiesel in das Leder seiner Schleuder und spannte sie. Seinem gebieterischen Blick gehorchend, tat ich unter furchtbaren Gewissensbissen dasselbe, nur fest gelobend, danebenzuschießen. In demselben Augenblick fingen die Kirchenglocken an, in den Sonnenschein und in den Gesang der Vögel hineinzuläuten. Es war das "Zeichen-Läuten", das dem Hauptläuten eine Stunde voranging. Für mich war es eine Stimme vom Himmel. Ich tat die Schleuder weg, scheuchte die Vögel auf, dass sie wegflogen und vor der Schleuder meines Begleiters sicher waren, und floh nach Hause. - Und immer wieder, wenn die Glocken der Passionszeit in Sonnenschein und kahle Bäume hinausklingen, denke ich ergriffen daran, wie sie mir damals das Gebot: "Du sollst nicht töten!" ins Herz geläutet haben.

Zweimal habe ich mit anderen Knaben mit der Angel gefischt. Dann verbot mir das Grauen vor der Misshandlung der aufgespießten Würmer und vor dem Zerreißen der Mäuler der gefangenen Fische, weiter mitzumachen. Ja, ich fand sogar den Mut, andere vom Fischen abzuhalten ...

Die Art, wie das Gebot, dass wir nicht töten und quälen sollen, an mir arbeitete, ist das große Erlebnis meiner Kindheit und Jugend, und neben ihm verblassen alle anderen.
Zukunft und Hoffnung

Wer vertraut, hat Zukunft, wer vertraut steht fest, weil der Herr des Lebens ihn nicht fallen lässt. Lass dich nicht entmutigen, Jesus steht dir bei. Er macht deine Zukunft hell. Jesus ist dein Licht!