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Freitag, 18. November 2011

Aus: Das weite Tor

Das Versöhnungsmahl

Es war Herbst geworden, überall an den Bergen dampften die Kartoffelfeuer. Es duftete nach aufgewühlter Erde und frischen Kartoffeln, die Ackerwagen knarrten, die Leute gingen in langen Reihen auf den Äckern und lasen die blanken Knollen auf, die der Pflug ihnen zuwarf. Die Vollen Körbe wurden zu den Wagen getragen und entleert, das Rollen und Kollern tönte weithin über das Feld. Aber das Schönste bei dieser Ernte war für die Kinder, daß es nicht hieß, sie bleiben besser daheim im Garten, so wie bei der Heuernte, wo man nur im Wege stand, wenn die Wagen einfuhren.
Wäre man ein Junge gewesen, so hätte man die Pferde führen dürfen, doch kleine Mädchen, hieß es, hätten nichts dabei zu tun. Das war anders beim Kartoffelsuchen.
Tella, der Knecht, schaffte mit der Mistgabel das trockene Kartoffelkraut auf einen Fleck hin, da wurde es angezündet. War das Wetter günstig gewesen, so wie in diesem Jahr, so konnte man auf eine kleine Flamme rechnen und auf eine tüchtige Glut in der Mitte. Es war freilich nicht wie beim Osterfeuer, wo die Flamme lodern zum Himmel schlug. Viel stiller war dieses Kartoffelfeuer.
Wundervoll war der Rauch. Am vollsten stieg er, wenn das Feuer von neuem aufgedeckt wurde. Da mußte man manchmal weit zurücktreten, um noch etwas atmen zu können. Dann sammelte er sich und stieg wie eine Säule empor. Es war aber windstille Luft, und er kam oben nicht weiter, lagerte sich schwer in halber Höhe über den Feldern und sank langsam wieder nach unten. Man atmete nichts als Rauchluft, und das war wundervoll.

Dann noch eins. Die Kinder durften Holzschuhe tagen. Sie klapperten bei jedem Schritt gegen die Hacken. Gretel war schon ein paarmal gefallen, aber das machte nichts, der Acker war weich.
Die Freude heute würde ohne Grenzen sein, zumal am Abend noch etwas geschehen sollte, das eigentlich die Hauptsache war. Dann wurden nämlich die Kartoffeln ... nein, besser dachte man nicht daran, denn Mieling bekam ohnehin schon Leibschmerzen vor lauter Vorfreude. Der Abend würde es ja sicher bringen, und was es dann gab, war so unvergesslich schön, daß sich alle, die untereinander gezankt hatten, aussöhnen mußten, das war nicht anders möglich. Voriges Jahr hatten sich Tella und Auguste versöhnt, und dieses Jahr - Jürgen? Nein, mit dem war nun freilich keine Aussöhnung möglich, er war der Erbfeind der Kinder.
Wieder war er zu Besuch da, dieser Junge aus der Stadt. Schon am Morgen war er plötzlich aufgetaucht, hatte sich gleich im Hagen einen Stecken geschnitten und war damit in der Luft herumgefahren. Jetzt stand er beim Vater, der mit auf dem Acker war, um nach den Leuten zu sehen und die Ernte zu prüfen. Nun kam er auf das Feuer zu. Einer der Leute hatte es eben neu aufgedeckt, und es qualmte schwer nach den Seiten hin. "Aber hört mal", sagte Jürgen zu den dreien, "das ist ja das reinste Kainsopfer. Zu Ostern, das lobe ich mir, das ist ein Abelsopfer. Aber dieses - hu!"
Er hatte seinen Stock in die glühenden Strünke gestoßen, da qualmte es ihm so in den offenen Lästermund hinein, dass er zurückspringen mußte. "Nee", rief er von weitem, "das macht nur alleine." Und er ging wieder zu den Leuten.
Das war doch ärger als alles andere, was Jürgen ihnen je verdorben hatte. Ein Kainsopfer! Beim Opfer des Kain blieben die Flammen an der Erde, und der Rauch wurde niedergedrückt. Gott liebte es nicht, er nahm es nicht an.
"Lassen wir ihn doch reden", sagte Mieling mit einem verächtlichen Blick hinter Jürgen her.
Das war aber leichter gesagt als getan. Alle Freude war ihnen genommen. Durften sie sich freuen an einem Ding, das Gott nicht wohlgefällig war?
Eines nach dem andern kehrte sich ab. "Kommt", sagte Eden, "wir suchen Blumen." Und die beiden folgten ihr. Die Holzschuhe klapperten gegen die Hacken, und als das Kleine hin und her strauchelte, lachte sie wieder und vergaßen ihr Leid.
Da waren noch so viele Blumen, daß man einen feinen kleinen Strauß binden konnte: blaue Kornblumen im Rübenacker und roter Klatschmohn im Kleefelde, höher hinauf die lila Skabiose, die rote Flockenblume und der gelbe Hahnenfuß. An einer Bergecke über den Feldern setzten die drei sich hin. Eden, die in der Mitte saß, sammelte die Blumen in ihrem Schoß und ordnete sie.

Eden meinte: "Sie sind nicht so groß und reich wie Gartenblumen, aber schön sind sie auch."
Mieling sagte: "Man muß das richtig verstehen. Nämlich als Gott die Erde werden ließ, tat er auch den Blumensamen in seine Sämannsschürze hinein, über alle Felder ging er, streute und streute. Da blühte alles allerwegen. Die Menschen aber gruben einige von den Blumen aus, denn sie wollten sie gern nahe beim Hause haben. Da sollten sie schöner blühen als draußen, und sie veredelten sie. So entstanden die Gärten und die Gartenblumen."
Eden meinte, als sie eine Weile still nachgedacht hatte: "Es ist wohl nicht richtig so, ich denke es mir ganz anders. Da war zuerst das Paradies, das die wunderbarsten Blumen hatte. Da aber die Menschen sündigten und aus dem Paradiese vertrieben wurden, gingen auch die Blumen ein. Die Erde sollte ja nur Disteln und Dornen tragen, hatte Gott gesagt. Als der Mensch nun arbeitete und schwitzte, dachte er voll Heimweh an den großen Wundergarten, den er einst besessen hatte, er grub die armen wilden Blumen aus, brachte sie an sein Haus, pflanzte sie von neuem ein und veredelte sie. Das sind nun die Blumen in unseren Gärten."

Die Kinder merkten es gar nicht, daß es dämmerig wurde, bis es ihnen plötzlich vor den Augen flimmerte. Da sahen sie auf, und nun hörten sie auch Rufe von unten herauftönen. Zuerst gewahrten sie nur die graublaue Schicht des Qualmes, der über dem Kartoffelacker lag, dann sahen sie die Flammen züngeln und eine Gestalt daneben stehen. Das war Tella, der Knecht, er hatte die Mistgabel in der Hand. Hochgehoben hielt er sie, als drohe er nach der Hecke hin. "Ho! Hallo!" tönte er jetzt ganz deutlich.
Die Kinder sahen auf, dabei warf Eden die Blumen hin. So schnell es in den Holzschuhen ging, eilten sie über die Äcker nach unten.
"Ihr seid mir eine nette Gesellschaft", schimpfte Tella. "Einfach auszureißen und hier das Feuer vergessen! Keine Kartoffel kriegt ihr jetzt von mir, keine einzige."
Den Kindern war zumute, als bräche der Acker unter ihnen ein. "Wir - wir", stammelte Eden, doch weiter kam sie nicht "Jürgen-", hub Mieling an und wollte sagen, er hätte ihnen das Feuer verleidet. "Ach was!" rief Tella und ging weg.
"Seht ihr", lachte Jürgen schadenfroh, "nun gibt es Zank. Euer Feuer ist Gott nicht wohlgefällig."
Gretel aber war Tella gefolgt. "Hör doch", bat sie, "wir haben ja nur Blumen gepflückt."
"So?" brummte Tella.
"Gibst du uns jetzt die Kartoffeln?" bat das Kleine.
"Na ja", sagte Tella und nahm den Korb, der schon bereitstand. Das war es ja, und ohne dieses wäre das ganze Feuer nichts gewesen: Ein Korb voll Kartoffeln mußte hinein, nicht zu dicke, nicht zu kleine, gerade solche, wie Tella sie nun hergab. Alle, die am Nachmittag auf dem Felde gearbeitet hatten, stellten sich um das feuer herum. Der Haufen durfte nur noch glühen, nicht mehr flackern, und dann wurden die Kartoffeln in die heiße Asche geworfen. Jürgen, der auf sein Fragen die antwort bekommen hatte, daß man morgen früh die Kartoffeln holen und essen werde, lachte lauf auf. "So`n Schweinefraß!" rief er. Aber Tella antwortete ihm mit einem "OHO!". und alle Leute sahen Jürgen an, so daß er stillschwieg.
Als die Flamme doch noch zu lodern anfing, wurde Erde über das Feuer gestreut, dann ging man heim. Die Pferde hatten schwer zu ziehen an dem vollen Wagen, und die Räder gruben sich tief ins Land. Als man heimkam, war es fast dunkel.
Abends in ihren Betten fühlten die Kinder, daß sie dieses Tages nicht ganz froh waren. "Jürgen-", sagten sie immer wieder, und der Haß gegen diesen Jungen vertiefte sich in Ihre Herzen. Auch das Blumensuchen erfreute sie nicht mehr, denn Eden hatte ja, als die Tella rufen hörte, alle Blumen hingeworfen. Die lagen nun da oben im Sane und mußten sterben.
Alles dieses aber war am andern Tage vergessen, als die Kartoffeln aus der Ascheglut geholt und auf den Tisch gebracht wurden. Ein wenig angeschwärzt sahen sie aus, einige auch waren verkohlt, doch das machte nichts. Es kam auch nicht darauf an, wie man hinterher aussah, als der Schmaus beendet war. "Seid ihr denn allesamt Schornsteinfeger?" hatte Jürgen gerufen, doch keiner hatte auf ihn gehört.
So ein herrlicher Schmaus! Mit den H#nden brach man die Kartoffel auf, bestreute sie mit Salz, gab ein Klümpchen Butter darauf nd aß das Weiße aus der Mitte. Es war noch warm. Auch das Schwarze konnte man essen, und das war sogar das Beste.
Als Jürgen all die kauenden Backen sah, griff er auch in die große Schüssel hinein, und als er die erste Kartoffel gegessen hatte, griff er nach der zweiten und dritten und so fort. Nach einer Weile stießen die Mädchen einander an: Jürgen hatte sich heimlich unter dem Tisch den Gürtel weitergeschnallt.
"Du", sagte Mieling, "willst du nun auch noch behaupten, es sein ein Kainsfeuer gewesen?"
Er antwortete nicht gleich, dann sagte er: "So wörtlich müßt ihr das nich nehmen." Seine Stimme hatte gar nichts Böses mehr, als er das sagte. "Nein, nein", meinte er noch in versöhnendem Tone, "so war das ja gar nicht gemeint."
Er schmauste noch, als die drei längst fertig waren, aber dann schob schob auch der den Teller weg und stand vom Tische auf. Als sie dann einender anschauten, brachen sie alle zugleich inlautes Lachen aus, denn sie hatten lle schwarze Schnurbärte. Die drei liefen flink hinaus zur Pumpe. um sich zu waschen.
Als sie fertig waren, berieten sie untereinander, was sie nun machen wollten. Es war am besten, sie finden jetzt gleich an, ein Paradies zu pflanzen und Blumen zu veredeln, ja, das war ein herrlicher Plan. Nur Edens Gesicht wurde plötzlich traurig, und sie erinnerte die Schwestern daran, daß die Blumen oben am Berge liegen geblieben waren. Sie würden jetzt gestorben sein, sagtesie.
"Aber sie hatten ja keine Wurzeln", meinte Mieling. "wir müßten also doch neue haben."
"Ach ja!" rief Eden erlauchtet.
"Wir müssen doch auch erst den Mist untergraben", sagte das Kleine.
Das war richtig, das war das Wichtigste! Wie herrlich war es,etwas ganz Neues gefunden zu haben, das man tun könnte! Hätte Jürgen sie gerstern nicht geärgert, so wären sie nimmer ins Feld gegangen und wären nicht auf den Gedanken gekommen, Blumen zu veredeln. Da sie ihm also etwas Gutes verdankten, wollten sie nun nicht mehr an den alten Ärger denken, siehatten ja auch das Versöhnungsmahl mit ihm gehalten. Vielleicht, daß Jürgen gern dabei wäre, wenn sie veredelten?
Gretel wurde zu ihm geschickt. Er stand wieder am Tisch, hatte gerade noch einmal in die Schüssel gelangt. Jetzt spuckte er auf sein Taschentuch und putzte sich um den Mund.
"Willst du mittun?" fragte Gretel.
"Was gibt´s denn?" erkundigte sich Jürgen.
"Ein Paradies" Blumen veredeln!"
"So - so-", zögerte Jürgen. "Und Mist fahren", sagte Gretel.
"Los!" rief Jürgen und tat mit.
Margarete Windhorst
Zukunft und Hoffnung

Wer vertraut, hat Zukunft, wer vertraut steht fest, weil der Herr des Lebens ihn nicht fallen lässt. Lass dich nicht entmutigen, Jesus steht dir bei. Er macht deine Zukunft hell. Jesus ist dein Licht!