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Donnerstag, 16. August 2012

Das eigene Haus

http://www.hbs-gruppe.eu/blog/wp-content/uploads/2011/08/Richtfest.jpgAls die Zimmerleute, von den Maurern und einigen Nachbarn unterstützt, den Dachstuhl gehoben hatten, der Richtbaum mit den Bändern und Papierfähnchen aufgenagelt war und er Zimmermeister vom First aus, mit dem Bierkruge in der Hand, den Bauherrn hatte hochleben lassen, sein Haus aber in Gottes Obhut befohlen hatte, versammelten sich die Handwerker und ihre Helfer in der unfertigen Stube, wo ein Tisch von rohen Bohlen aufgeschlagen stand, den zwei Brätterbänke säumten. Durch die scheibenlosen Fensteröffnungen strich der milde Nachsommerwind, von dem sich die Schwalben geschwaderweise emporreißen ließen, um über den höchsten Baumwipfeln auseinanderzustieben, drucheinanderzuflitzen und wieder gemeinsam bis dicht an die Gräser herniederzuschießen, wo sie sich im Sturze finden und erneut mit wenigen Flügelschlägen zur Höhe strebten. Der Bauherr zapfte das große Faß an, das auf zwei Holzblöcken lag, und die Hausfrau half ihm beim Auffüllen der Krüge, die von den Lehrbuben an ihren Platz gestellt wurden. Man lobte das schöne Bauwetter, in dem die Arbeiten noch einmal so rasch vorangegangen waren, als wenn der Sommer verregnet wäre, labte sich an dem frischen Bier, scherzte und sang.

Da sagte einer der Nachbarn, die beim Balkentragen geholfen hatten: "Du hast halt ein rechtes Glück mit deinem Hausbau, Georg. Anderen Leuten fällt es schwerer: da paßt das Wetter nicht, oder das Bauholz taugt nicht, oder das Geld für die Handwerker geht ihnen überm Bauen aus, oder es stürzt einer vom Gerüst und bricht sich die Knochen, oder es geht ihnen wie meinem Vater, daß sie den Hebeschmaus nur noch tot erleben."

Die meisten wußten nichts mehr davon, wie das gewesen war, andere erinnerten sich nur noch schattenhaft an diese Dinge; jedenfalls wollten sie alle nähere Auskunft darüber haben, und so erzählte der Nachbar: "Als ich ein Bub war, da wohnten meine Eltern mit uns Kindern bei fremden Leuten in der Herberge, und wir hatten nur zwei kleine Stuben und waren unser sieben, und meine Mutter konnte keine Geiß füttern, weil wir keinen Stall hatten und keinen Platz im Stadel, wo wir ein Heu aufheben durften. Solange ich denken kann, hatte mein Vater im Sinn, für uns ein eigenes Häusl zu bauen, damit wir doch wenigstens unabhängig würden und uns rühren könnten. Immer wieder sprach er mit uns davon, und oft einmal riß er ein Blatt aus unserem Schreibheft und malte auf, wie das Haus aussehen sollte, wo die Küche hinkäme und wo der Stall, und im Bodenraum sollten zwei Schlafstuben sein und hinter der Küche eine Kammer, und ein kleiner Stadel sollte ans Haus angehängt werden, genau so, wie es jetzt bei unserem Hause der Fall ist. Aber dann fing er wieder an zu rechnen und zu zählen und zu überlegen, und wenn er zuvor gelacht und gesungen hatte, so kam er hinterher allemal in Sorgen; Denn mein Vater, ihr werdet`s vielleicht noch wissen, war ein Holzmacher im Staatswald, und von seinem Lohn blieb nicht viel übrig, weil wir alles selber kaufen mußten: Milch und Brotmehl, Erdäpfel und Schmalz. Ins Wirtshaus ging er nie; da reute ihn jeder Pfennig, den er  fürs Bier hätte ausgeben müssen. Einmal, ich ging grad das erste Jahr zur Schule, nahm uns mein Vater mit hinauf auf einen Reutfleck vorm Dorfe, ich weiß es noch wie heut`, und sagte: `Das Land gehört unser, und bis in zwei drei Jahren steht hier unser Häusel.` Es war kein überaus großer Fleck, vielleicht ein Tagwerk, und ganz voller Steine und Stöcke und Wurzelgelump, mit Kraut und Staudenwerk bewachsen, eine rechte Wildnis, aber es war nun unser Grund. In jeder freien Stunde haben wir dort Steine zusammengetragen und Stöcke ausgegraben, und mein Vater hat den Keller und den Graben für die Grundfesten ausgeschachtet und hat mit den Zimmerleuten die Balken behauen, und alles, was er selber tun konnte, hat er getan. Nun war aber mein Vater - getröst`ihn unser Herrgott! - ein ganz besonderer Mann, müßt ihr wissen, und von den Steinen, die wir aus unserem Grund heraufgeholt haben, taugten ihm nur die allerschönsten zum Hausbau; die anderen mußten wir an unsere Flurmark bringen und sie zu einer Feldmauer aufeinanderschichten. Auf die Art vergingen zwei Jahre, wir hatten schon einen schmalen Ackerstreifen mit Erdäpfeln angebaut, und in diesem Sommer sollte nun unser Haus aufgerichtet werden. Unten am Bache, wo er den großen Bogen macht, gruben wir den schönsten Flußsand aus und fuhren einen Schubkarren voll nach dem anderen zu unserem Bauplatz. Die Dielen- bretter waren luftig aufgerichtet, der Kalk war auch schnell angefahren und in der Grube gelöscht; also, alles war da, nur die Maurer gingen uns noch nicht her, weil sie anderswo noch zu arbeiten hatten. Die Bauern fingen gerade mit dem Heuen an; da wurde mein Vater ungeduldig, weil er meinte, das Häusel könnte in diesem Jahr wieder nicht fertig werden. Am liebsten hätte er selber allein die Mauern aufgeführt; aber davon verstand er nichts. Deswegen ließ er es sein und ging zu dem Berghang, wo der allerhärteste Stein felsenmäßig aus der Erde kommt, und brach sich dort mit dem Pickel und der Eisenstange die saubersten Brocken heraus, wenngleich er schon mehr als genug am Bauplatz hatte. Und wie er so mit der Brechstange hantiert, auf einmal wird die ganze Wand locker und kommt ins Rutschen; er wirft sein Werkzeug weg und springt fort, so geschwind er kann, der Steinfelsen hinter ihm drein; aber die Masse konnte meinen Vater nicht mehr erwischen, weil er zu schnell war. Nur ein einziger Brocken, gar nicht recht groß, etwa wie ein kleiner Laib Brot, traf ihn noch am Kreuz. Er hat sich gar nicht viel darum bekümmert, wenn ihn auch der Rücken furchtbar geschmerzt hat, sondern hat seine Arbeit fertig verrichtet und ist heimgegangen. Zwei Tage lang hat er sich noch hingeschleppt; aber am dritten hat er sich vor lauter Wehtun und Mattigkeit niederlegen müssen - und an diesem selben Tag haben gerade die Maurer mit dem Bauen angefangen."  

"Das wird ihm hart geworden sein, deinem Vater", seufzte der Bauherr, "das kann ich ihm nachfühlen."

"Jawohl", sagte ein älterer Maurer, "jetzt kann ich mich auch noch darauf besinnen. Ich hab´selber damals als Lehrbub bei dem Bau mitgearbeitet."

"Mein Vater", fuhr der Nachbar fort, "hat sich seine Bettstatt ans Fenster stellen lassen; aber sehen konnte er von dem Bau nichts, weil andere Häuser und allerhand Bäume dazwischen waren. Aber wenn das Fenster bei der warmen Zeit offenstand, hat er die Maurer oft einmal aus der Ferne gehört, wenn sie die Steine beklopft oder geschrien haben, wie es die Maurer so machen. Ich hab`meinem Vater immer erzählen müssen, wie weit sie sind, und er hat mir zugehört und hat die Zähne zusammengebissen vor lauter Verdruß und Traurigkeit, weil er nicht selber mithelfen konnte. Das ist aber auch wirklich schon ein Kreuz gewesen für diesen Mann. Jahrelang hat er sich geplagt und hat gehaust und hat nichts im Sinn gehabt als den Hausbau und hat sich darauf gefreut wie ein kleines Kind, und nun, als es endlich soweit war, mußte er daheim im Bett liegen und Schmerzen leiden. `Wenn sie erst fertig sind` , hat er gemeint, `dann werde ich schon wieder gesund sein; aber dann ist`s zu spät.`Aber er ist nicht wieder gesund geworden, sondern von einem Tag zum andern ist`s ihm schlechter gegangen. Zuletzt hat er sich gar nimmer rühren können und wir haben ihn füttern müssen, daß er nicht verhungert ist.  Die Türstöcke wurden eingesetzt und die Fensterstöcke, das Balkenlager für den Boden wurde eingezogen und der Kniestock in der Höhe aufgemauert, und nun war alles fertig bis aufs Dach. Als nun mein Vater gehört hat, daß der Dachstuhl gehoben wird, hat er so lange gejammert und gebettelt, wir sollen ihn hintragen dazu, daß wir´s zuletzt getan haben. Zwei Maurer packten die Bettstatt vornan, und zwei Zimmerleute trugen sie hintennach. Es war ein wunderbarer Tag wie heute; die Bauern hatten schon den Hafer angefahren, und das Grummet lag auf den Wiesen gehäuft. Die Luft ging mild über die Stoppelfelder, und die Sonne schien warm, als sie meinen Vater nach seinem letzten Willen zum Bau brachten. Es war wie ein Leichenzug, und die Männer, die uns begegneten, blieben stehen und taten ihre Kappen ab. Unten in derKüche setzten sie dann die Bettstatt nieder; da konnte er jedes Wort hören und jeden Handgriff sehen, weil in der Höhe noch keine Bretter gelegt waren. Er hat die Hände gefaltet und hat den Handwerkern zugeschaut, wie sie die Stellsäulen aufrichteten und die Stellbäume darüber legten. Daß er glücklich war, das haben wir an seinen Augen gesehen; die leuchteten wie zwei Sterne am Himmel. Wie aber dann der Zimmermeister auf den Firstbaum hinaufstieg und den Bauherrn hochleben ließ, da war er schon tot."

"Der Mensch hat ein hartes Schicksal gehabt", seufzte die Hausfrau; "aber wenigstens ist ihm eine schöne glückliche Sterbestunde vergönnt gewesen, und das ist auch etwas wert."

"Jawohl",nickte der alte Maurer, "das weiß ich noch gut. Das war ein trauriger Hebeschmaus. Deine Mutter hat geweint, und ihr Kinder habt geweint, und die Zimmerleute haben ein Totenbrett von den Dielenpfosten abgeschnitten und haben deinen Vater daraufgelegt, und hernach haben wir erst einmal miteinander gebetet, und wie wir das Hebebier tranken, immer lag der tote Bauherr auf dem Brett zwischen uns. So etwas kommt alle hundert Jahre einmal vor, das vergißt man nicht leicht."

"Das ist auch ein Glück", lachte der Bauherr, "daß das nicht öfter vorkommt! Denn schließlich baut man sich doch sein Haus nicht nur zum Sterben, sondern auch zum Leben. Und nun trinkt, Männer, und seid lustig!"

Und sie aßen und tranken, was ihnen aufgetragen ward, vergaßen die alten Geschichten und freuten sich ihres Lebens und des heutigen Tages.
Johannes Linke

  
aus:




Zukunft und Hoffnung

Wer vertraut, hat Zukunft, wer vertraut steht fest, weil der Herr des Lebens ihn nicht fallen lässt. Lass dich nicht entmutigen, Jesus steht dir bei. Er macht deine Zukunft hell. Jesus ist dein Licht!