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Donnerstag, 30. August 2012

Die Feinde

Aus dem Lesebuch "Das weite Tor"

Die Feinde

Es war am Vormittag, und endlich einmal schien die Sonne. Das Züricher Krankenhaus, das auf halber Höhe des Berges liegt, und der Garten davor waren davon durchwärmt. Die Kranken, die aufstehen durften, saßen vor der Tür auf den Bänken unter den kahlen Bäumen. Da saßen auch allerlei Soldaten: ein deutscher Jäger, der den Kiefer verbunden hatte, und ein deutscher Artillerist ohne rechten Arm. Auf der nächsten Bank saß ein französischer Infanterist und ergötzte sie an der Sonne und an einem Schweizer Stumpen. Alle Kranken, die Schmerz und Gefangenschaft hinter sich hatten, waren still und glücklich.

Aber da war ein ganz junger deutscher Infanterist; der machte seine ersten Gehversuche im Garten. Er hatte nur noch das linke Bein, das rechte fehlte bis zur Hüfte. Er war noch bleich und mager, aber sein ganzes Gesicht leuchtete vor Glück und Freude. Es schien, als ginge er heute zum ersten Male allein, ohne Hilfe. Er gebrauchte seine Krücken sehr ungeschickt; er kam nur ganz langsam vorwärts, er lächelte verlegen.

Schließlich kam er doch bis ans Tor, und nun noch drei Schritte, und er stand wieder auf der Straße - zum erstenmal - nach Jahr und Tag. Ja, da stand er nun, einbeinig, aber nicht hilflos. Entzückt sah er sich um.

Da kam ein riesiger schwarzer Hund die Straße herabgejagt seinem Herrn nach; er war ausgelassen und toll vor Freude, ein junges übermütiges Tier. Er stürmte an dem Soldaten vorbei, streifte ihn und riß ihm eine Krücke unter der Achsel fort, die andere glitt nach. Der arme Kerl stand einen Augenblick noch und wankte; dann fiel auch er hin ...  Und er blieb liegen, hilflos und erschrocken. Am liebsten hätte er geschluchzt; alle Freude, alle Selbstständigkeit war ihm so jäh genommen, nur weil ein Hund ihn angerannt hatte. 

Die anderen Kranken im Spitalgarten sahen ihn fallen, sprangen auf und eilten hin. Aber zuerst von allen war der französische Infanterist bei ihm. Er bückte sich und hob ihn auf mit starken Armen wie ein leichtes Kind. Aber nun stellte er ihn nicht hin. Er trug ihn an seiner Brust, der Franzose den Deutschen, in den Garten und durch die Allee ins Spital hinein; denn im Fall konnte der Wunde etwas geschehen sein. Und der kleine deutsche Soldat schlang seine Arme um den Hals seines Trägers, und die beiden, die nicht imstande waren sich mit Worten zu verständigen, lächelten sich an ...


Kurt Münzer




Mittwoch, 29. August 2012

Sportgeist

aus









Sportgeist
 
von H. Braun

Als bei den Olympischen Spielen von Amsterdam im Dreitausendmeter-Hindernislauf Nurmi gleich beim ersten Graben der Länge nach ins Wasser fiel, da drehte sich der vor ihm befindliche Franzose Duchesne um und zog den tropfnassen Finnen im wahrsten Sinne des Wortes aus der Patsche.

Diese Begebenheit - sie spielte sich in wenigen Sekunden ab - ist damals den meisten Zuschauern und Berichterstattern der Olympischen Spiele entgangen; aber es wäre mehr als schade, wenn sie vergessen würde.

Versetzt euch doch einmal in die Lage!

Duchesne, der vorne lag, hörte hinter sich das finnische Weltwunder in Wasser fallen. Bis zu diesem Augenblick konnte er etwa folgende gedacht haben: "Ich habe gegen Nurmi zu laufen, welch ein Pech!
Ich weiß, was ich kann. Aber gegen den ankommen? Hoffnungslos!"
So etwa.

Oder er könnte auch gedacht haben: "Ich habe gegen Nurmi zu laufen. Gegen Nurmi! Ich will, ich muß, ich werde riskieren, besser zu sein als er. Irgendeiner muß ihn doch schließlich irgendwann einmalbesiegen, warum soll das nicht ich sein? Ich fühle mich glänzend in Form. Und wer weiß, vielleicht - es gibt Zufälle - kommt mir noch was zu Hilfe ..."

"Da ist die!" konnte Duchesne denken, "da ist sie, die Chance! Nurmi zappelt im Wasser; Pech für ihn. Los, Duchesne, heut wird du erster!"

So konnte Duchesne denken.

Aber Duchesne drehte sich um, ohne zu zögern, und half Nurmi heraus.

Wenn es Denkmäler gäbe für sportlichen Geist, nicht bloß für sportliche Leistungen, so hätte sich der Franzose Duchesne eine verdient, und ich setze ihm ja auch eines, hier, mit ein paar armen Worten.

Denn der Sieg, den er davontrug, ist und wiegt schwerer als ein Sieg über den anderen: der Sieg über sich selbst!

Duchesne und Nurmi liefen weiter. Die andern hatten sie überholt. Wird es dabei bleiben? Nurmi holt auf. Duchesne mit. In der letzten Runde sind diebeiden den übrigen um viele Meter voran. Nurmi ist erster. Duchesne dicht hinter ihm.

Da, einen halben Meter vom Ziel, stoppt Nurmi. Er will Duchesne als ersten durchs Ziel lassen. Aber Duchesne lächelt und nimmt es nicht an. So ziehen beide mehr neben- als hintereinander übers Band in ihren wahrlich mehr als doppelten Sieg.

Wer das dumm findet, der möge sich schämen. Wer es bewundern kann, der ist auf gutem Weg. Wer aber sich vornimmt und es sich zutraut,ebenso zu handeln, wenn es der Zufall will, der sei dafür umarmt. Selbst, wenn er unterliegt: er ist der wahre Sieger!



Montag, 27. August 2012

Der Mann, der alle Grenzen sprengt

Jesus, der Mann, der alle Grenzen sprengt

Kennen wir Jesus?
Kann ER das?
Ist ER der Mann, der alle Grenzen sprengt?
Sollte es etwa heißen:
Jesus, der Mann, der manche Grenzen sprengt?
oder vielleicht:
Jesus, der Mann, der viele Grenzen sprengt?
Nein, Jesus sprengt alle Grenzen!
Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein?
Bei Gott ist kein Ding unmöglich!
Damit kann ich rechnen,
wenn scheinbar Unmöglichkeiten vor mir liegen.
Auch wenn ich erschrocken frage:
"Wie soll das zugehen?"
Grenzerweiterung will ER mir schenken.
Die Grenze ist aufgehoben.
"Siehe, der Vorhang im Tempel ist zerrissen!"
Ich kann mit dem heiligen Gott zusamen kommen.
Der Himmel ist offen!
Der Weg ist frei!
"Ich bin die Tür" sagt Jesus,
"der Eingang in das Leben"
... und doch - kenne ich Jesus?
Warum lebe ich dann so eingegrenzt?
"Sollte ER wirklich gesagt haben...?"
Ist ER wirklich der Mann, der alle Grenzen sprengt? -
Wenn ja, dann, "Herr, erweitere meine Grenzen." -
Ich mag die Enge nicht mehr,
ich sehne mich nach Weite!
Weite meinen Horizont,
damit ich erfahre: DU schenkst Erfüllung des Lebens!
Deinen Verheißungen will ich keine Grenze setzen -
so ärmlich will ich nicht leben!
Dein Reichtum ist grenzenlos!

Ja, HERR JESUS,


DU bist der Mann, der alle Grenzen sprengt!   



         

Donnerstag, 23. August 2012

Herr, ich sehe Deine Welt


Was für ein Tag!
Ich kann es kaum glauben,
was ich heute erlebt habe.
Doch wenn ich um mich herumschaue,
ist es wirklich wahr.

Ich kann sehen!
Den blauen Himmel,
die Häuser,
die Menschen und die Tiere.

Was ist denn daran besonderes? -
wird sich mancher fragen.
Es ist total besonders,
denn heute früh 
war ich noch der blinde Bettler
am Straßenrand von Jericho.

Ein Tag wie jeder andere.
Doch plötzlich hörte ich,
dass etwas besonderes los sein musste.
Es war so unruhig
in der Stadt.
Und es waren so viele Menschen unterwegs.
Ich spitzte meine Ohren
und bekam mit,
dass Jesus von Nazareth
heute
durch unsere Stadt ziehen würde.
Ich hatte schon von ihm gehört.
Wunder hatte er getan,
viele Wunder.
Kranke wurden heil,
Besessene  wurden frei
und sogar Tote
wurden wieder lebendig.
Und dieser Jesus
kam heute in unsere Stadt?
Wo ich wohne,
der blinde Bartimäus?
Kann er auch ...?
Ob er mich auch ...?
Leise Hoffnung
kam in mir auf.
Wenn ich nur nicht verpasse,
wenn er in meiner Nähe ist!
Am besten ich rufe so laut
nach ihm,
wie ich kann.
"Jesus, du Sohn Davids,
erbarme dich über mich!",
schrie ich.
Einmal, zweimal, immer wieder.
Obwohl das den anderen gar nicht passte.
sie sagten, ich sollte still sein.
Aber
haben die eine Ahnung,
wie es ist,
blind zu sein
und nun solch eine Chance zu haben?
Ich ließ mich nicht einschüchtern.

Plötzlich spürte ich,
dass sich die Situation änderte.
Jesus war stehen geblieben
und rief nach mir.
Unglaublich!
Die Menschen riefen mir zu:
"Sei getrost!
Steh auf;
er ruft dich!"

Ich ließ meinen Mantel fallen
und versuchte
so schnell wie möglich
zu Jesus zu kommen.
Als ich vor ihm stand,
hörte ich ihn sagen:
"Was soll ich für dich tun?"
Ja, was wohl?
"Rabuni, dass ich sehen kann!",
vernahm ich meine eigene Antwort.

Darauf sagte Jesus zu mir:
"Gehe hin;
dein Glaube hat dich geheilt!"

Und dann,
ja, dann konnte ich ... sehen!
Ja, ich kann sehen!

Als erstes meinen Retter Jesus!
Und all die Farben,
die vielen Menschen 
und die Straße,
wo ich nun keinen Stammplatz mehr brauche.

Denn ich kann sehen,
ich kann mitgehen,
ich folge nun meinem Retter! 

Sr. Bettina Ernst
zu Markus 10, 46 bis 52   

  
 Herr, ich sehe deine Welt,
das weite Himmelszelt,
die Wunder deiner Schöpfung.

Alles das hast du gemacht.
den Tag und auch die Nacht.
Ich danke dir dafür.

Darum bete ich dich an,
 weil ich nicht schweigen kann.
Die Freude füllt mein Singen.
Staunend habe ich erkannt,
ich bin in Deiner Hand
und du lässt mich nicht los.
  
  

Montag, 20. August 2012

Veloziped






Wie das Fahrrad erfunden wurde




An einem schönen Sommerabend spazierte in der Theaterpause vor dem Mannheimer Theater ein kleiner, dicker Mann schnell auf und ab. Er hatte einen grünen Militärfrack mit goldenen Knöpfen an und schwarze, enge Hosen. Ein sehr hoher, steifer Halskragen quetschte ihm den dicken Hals fast zu. Aber der kleine Mann lief sehr fröhlich auf und ab und lachte ab und zu laut vor sich hin. Er schien sich sehr zu freuen.

Dieser Mann war der Forstmeister Freiherr von Drais aus Karlsruhe. Ein Priester trat zu ihm und sagte: "Nun, Herr Baron, Sie denken wohl wieder über eine Erfindung nach?"

"Stimmt, stimmt", sagte der Forstmeister. "Sehen Sie, eben ist es mir eingefallen. Es ist sehr gut, sehr gut."

"Was soll es denn diesmal werden?" fragte der Priester.

"Also ich werde ein Rad bauen. Darauf können Sie drei- bis viermal schneller vorankommen, als wenn Sie laufen."

Der Priester lachte: "Das wird wohl eine Art Pferd auf Rädern?"

"Nein, nein! Passen sie auf: Hinten ein Rad aus Holz, vorne ein Rad aus Holz und in der Mitte ein Sattel zum Sitzen, vorne eine Lenkstange! Fertig!"

"Ja, aber; wie soll das Ding sich denn bewegen? Da müssen Sie doch ein Uhrwerk ..."

"Ach was, Uhrwerk! Die Sache muß billig sein. Der Sitz wird so hoch gemacht, daß die Füße auf die Erde kommen, und da stößt man sich ab. Man läuft mit dem Rad. Und wenn`s berab geht, dann fährt man ganz von selbst."

Da schellte es im Theater, die Pause war zu Ende.

Zehn Tage nach dieser Unterhaltung hatte Karl von Drais sein hölzernes Laufrad fertig. Der Herr Forstmeister fuhr damit durch die Straßen von Karlsruhe. Die Kinder lauerten ihm auf und schrien: "Er kimmt! Er kimmt!" Und dann liefen alle hinterher. Wenn es aber bergab ging, dann kamen nur noch die allerschnellsten mit. Im August 1817 fuhr Drais von Mannheim nach Schwetzingen. Dieser Weg war vier Stunden lang. Drais fuhr den Weg in einer Stunde. Da bestellten viele Leute sich solch ein Rad bei ihm. Es kostete damals 44 Gulden. Das sind etwa 80 Mark.

Drais arbeitete weiter und machte Laufräder, bei denen man den Sitz hoch- und tiefstellen konnte. Er machte Laufräder für zwei Personen. Einer konnte sich dann immer ausruhen, wenn der andere lief. Diese Doppelsitzer kosteten 75 Gulden.

Aber reich wurde Karl von Drais davon nicht. Der Herzog Leopold von Baden hatte ihm wohl ein schönes Schreiben geschickt, und der Kaiser von Rußland schenkte ihm einen feinen Ring, aber das war sehr wenig. Davon konnte er nicht leben.

In England wurden diese Laufräder bei der Post eingeführt, in Deutschland nicht. Ein berühmter Geschichtsschreiber ( Varnhagen von Ense) schrieb damals: "Das Laufrad ist ein lächerliches Ding."

Der Erfinder wurde immer ärmer, sein Rock bekam immer mehr Flecken und Löcher. Und die letzten paar Mark, die der alte Forstmeister noch hatte, gebrauchte er, um sein "lächerliches Ding" zu verbessern.

Einmal lachte ihn ein Engländer, der in Karlsruhe zu Besuch war, aus. Da stieg Drais von seinem Laufrad und verprügelte ihn. Da durfte sich der Freiherr von Drais nicht mehr Freiherr nennen. Das war die Strafe. Ganz arm starb Drais im Jahre 1851. Sein eigenes Laufrad kaufte die Stadt Karlsruhe für 500 Mark.


Das Laufrad von Drais hatte noch keine "Pedale", keine Tretkurbeln. Die hat wieder ein Deutscher, Philipp Moritz Fischer, erfunden. Er baute das Vorderrad hoch und machte auch den Sitz über dem Vorderrad fest. Die Tretkurbeln kamen ans Vorderrad. Hinten waren zwei kleine Räder.

Ein anderer Deutscher mit Namen Baader baute das so genannte Niederrad, d. h. die Räder wurden beide niedrig.
Ein Engländer nahm die schwerden Holzspeichen fort und setzte zuerst Stahlspeichen ein.

Im Jahre 1889 hatte der englische Tierarzt Dunlop seinem Söhnchen ein kleines Fahrrad  gebaut. Der Junge kam eines Tages zu seinem Vater und sagte: "Vater, kannst du nicht etwas an das Rad machen, daß mir das Fahren hinten nicht so weh tut?" Der Vater lachte und besann sich einen Augenblick.
Dann nahm er einen Wasserschlauch, der im Garten lag, und pumpte Luft in den Schlauch. Dann band er ihn zu und legte ihn um die Räder. Mit Lappen band er die Schläuche fest. Und so wurde der Luftreifen erfunden. Der Vater bekam ein Patent auf die Erfindung und wurde sehr reich.

Heinrich Burhenne

 

Donnerstag, 16. August 2012

Das eigene Haus

http://www.hbs-gruppe.eu/blog/wp-content/uploads/2011/08/Richtfest.jpgAls die Zimmerleute, von den Maurern und einigen Nachbarn unterstützt, den Dachstuhl gehoben hatten, der Richtbaum mit den Bändern und Papierfähnchen aufgenagelt war und er Zimmermeister vom First aus, mit dem Bierkruge in der Hand, den Bauherrn hatte hochleben lassen, sein Haus aber in Gottes Obhut befohlen hatte, versammelten sich die Handwerker und ihre Helfer in der unfertigen Stube, wo ein Tisch von rohen Bohlen aufgeschlagen stand, den zwei Brätterbänke säumten. Durch die scheibenlosen Fensteröffnungen strich der milde Nachsommerwind, von dem sich die Schwalben geschwaderweise emporreißen ließen, um über den höchsten Baumwipfeln auseinanderzustieben, drucheinanderzuflitzen und wieder gemeinsam bis dicht an die Gräser herniederzuschießen, wo sie sich im Sturze finden und erneut mit wenigen Flügelschlägen zur Höhe strebten. Der Bauherr zapfte das große Faß an, das auf zwei Holzblöcken lag, und die Hausfrau half ihm beim Auffüllen der Krüge, die von den Lehrbuben an ihren Platz gestellt wurden. Man lobte das schöne Bauwetter, in dem die Arbeiten noch einmal so rasch vorangegangen waren, als wenn der Sommer verregnet wäre, labte sich an dem frischen Bier, scherzte und sang.

Da sagte einer der Nachbarn, die beim Balkentragen geholfen hatten: "Du hast halt ein rechtes Glück mit deinem Hausbau, Georg. Anderen Leuten fällt es schwerer: da paßt das Wetter nicht, oder das Bauholz taugt nicht, oder das Geld für die Handwerker geht ihnen überm Bauen aus, oder es stürzt einer vom Gerüst und bricht sich die Knochen, oder es geht ihnen wie meinem Vater, daß sie den Hebeschmaus nur noch tot erleben."

Die meisten wußten nichts mehr davon, wie das gewesen war, andere erinnerten sich nur noch schattenhaft an diese Dinge; jedenfalls wollten sie alle nähere Auskunft darüber haben, und so erzählte der Nachbar: "Als ich ein Bub war, da wohnten meine Eltern mit uns Kindern bei fremden Leuten in der Herberge, und wir hatten nur zwei kleine Stuben und waren unser sieben, und meine Mutter konnte keine Geiß füttern, weil wir keinen Stall hatten und keinen Platz im Stadel, wo wir ein Heu aufheben durften. Solange ich denken kann, hatte mein Vater im Sinn, für uns ein eigenes Häusl zu bauen, damit wir doch wenigstens unabhängig würden und uns rühren könnten. Immer wieder sprach er mit uns davon, und oft einmal riß er ein Blatt aus unserem Schreibheft und malte auf, wie das Haus aussehen sollte, wo die Küche hinkäme und wo der Stall, und im Bodenraum sollten zwei Schlafstuben sein und hinter der Küche eine Kammer, und ein kleiner Stadel sollte ans Haus angehängt werden, genau so, wie es jetzt bei unserem Hause der Fall ist. Aber dann fing er wieder an zu rechnen und zu zählen und zu überlegen, und wenn er zuvor gelacht und gesungen hatte, so kam er hinterher allemal in Sorgen; Denn mein Vater, ihr werdet`s vielleicht noch wissen, war ein Holzmacher im Staatswald, und von seinem Lohn blieb nicht viel übrig, weil wir alles selber kaufen mußten: Milch und Brotmehl, Erdäpfel und Schmalz. Ins Wirtshaus ging er nie; da reute ihn jeder Pfennig, den er  fürs Bier hätte ausgeben müssen. Einmal, ich ging grad das erste Jahr zur Schule, nahm uns mein Vater mit hinauf auf einen Reutfleck vorm Dorfe, ich weiß es noch wie heut`, und sagte: `Das Land gehört unser, und bis in zwei drei Jahren steht hier unser Häusel.` Es war kein überaus großer Fleck, vielleicht ein Tagwerk, und ganz voller Steine und Stöcke und Wurzelgelump, mit Kraut und Staudenwerk bewachsen, eine rechte Wildnis, aber es war nun unser Grund. In jeder freien Stunde haben wir dort Steine zusammengetragen und Stöcke ausgegraben, und mein Vater hat den Keller und den Graben für die Grundfesten ausgeschachtet und hat mit den Zimmerleuten die Balken behauen, und alles, was er selber tun konnte, hat er getan. Nun war aber mein Vater - getröst`ihn unser Herrgott! - ein ganz besonderer Mann, müßt ihr wissen, und von den Steinen, die wir aus unserem Grund heraufgeholt haben, taugten ihm nur die allerschönsten zum Hausbau; die anderen mußten wir an unsere Flurmark bringen und sie zu einer Feldmauer aufeinanderschichten. Auf die Art vergingen zwei Jahre, wir hatten schon einen schmalen Ackerstreifen mit Erdäpfeln angebaut, und in diesem Sommer sollte nun unser Haus aufgerichtet werden. Unten am Bache, wo er den großen Bogen macht, gruben wir den schönsten Flußsand aus und fuhren einen Schubkarren voll nach dem anderen zu unserem Bauplatz. Die Dielen- bretter waren luftig aufgerichtet, der Kalk war auch schnell angefahren und in der Grube gelöscht; also, alles war da, nur die Maurer gingen uns noch nicht her, weil sie anderswo noch zu arbeiten hatten. Die Bauern fingen gerade mit dem Heuen an; da wurde mein Vater ungeduldig, weil er meinte, das Häusel könnte in diesem Jahr wieder nicht fertig werden. Am liebsten hätte er selber allein die Mauern aufgeführt; aber davon verstand er nichts. Deswegen ließ er es sein und ging zu dem Berghang, wo der allerhärteste Stein felsenmäßig aus der Erde kommt, und brach sich dort mit dem Pickel und der Eisenstange die saubersten Brocken heraus, wenngleich er schon mehr als genug am Bauplatz hatte. Und wie er so mit der Brechstange hantiert, auf einmal wird die ganze Wand locker und kommt ins Rutschen; er wirft sein Werkzeug weg und springt fort, so geschwind er kann, der Steinfelsen hinter ihm drein; aber die Masse konnte meinen Vater nicht mehr erwischen, weil er zu schnell war. Nur ein einziger Brocken, gar nicht recht groß, etwa wie ein kleiner Laib Brot, traf ihn noch am Kreuz. Er hat sich gar nicht viel darum bekümmert, wenn ihn auch der Rücken furchtbar geschmerzt hat, sondern hat seine Arbeit fertig verrichtet und ist heimgegangen. Zwei Tage lang hat er sich noch hingeschleppt; aber am dritten hat er sich vor lauter Wehtun und Mattigkeit niederlegen müssen - und an diesem selben Tag haben gerade die Maurer mit dem Bauen angefangen."  

"Das wird ihm hart geworden sein, deinem Vater", seufzte der Bauherr, "das kann ich ihm nachfühlen."

"Jawohl", sagte ein älterer Maurer, "jetzt kann ich mich auch noch darauf besinnen. Ich hab´selber damals als Lehrbub bei dem Bau mitgearbeitet."

"Mein Vater", fuhr der Nachbar fort, "hat sich seine Bettstatt ans Fenster stellen lassen; aber sehen konnte er von dem Bau nichts, weil andere Häuser und allerhand Bäume dazwischen waren. Aber wenn das Fenster bei der warmen Zeit offenstand, hat er die Maurer oft einmal aus der Ferne gehört, wenn sie die Steine beklopft oder geschrien haben, wie es die Maurer so machen. Ich hab`meinem Vater immer erzählen müssen, wie weit sie sind, und er hat mir zugehört und hat die Zähne zusammengebissen vor lauter Verdruß und Traurigkeit, weil er nicht selber mithelfen konnte. Das ist aber auch wirklich schon ein Kreuz gewesen für diesen Mann. Jahrelang hat er sich geplagt und hat gehaust und hat nichts im Sinn gehabt als den Hausbau und hat sich darauf gefreut wie ein kleines Kind, und nun, als es endlich soweit war, mußte er daheim im Bett liegen und Schmerzen leiden. `Wenn sie erst fertig sind` , hat er gemeint, `dann werde ich schon wieder gesund sein; aber dann ist`s zu spät.`Aber er ist nicht wieder gesund geworden, sondern von einem Tag zum andern ist`s ihm schlechter gegangen. Zuletzt hat er sich gar nimmer rühren können und wir haben ihn füttern müssen, daß er nicht verhungert ist.  Die Türstöcke wurden eingesetzt und die Fensterstöcke, das Balkenlager für den Boden wurde eingezogen und der Kniestock in der Höhe aufgemauert, und nun war alles fertig bis aufs Dach. Als nun mein Vater gehört hat, daß der Dachstuhl gehoben wird, hat er so lange gejammert und gebettelt, wir sollen ihn hintragen dazu, daß wir´s zuletzt getan haben. Zwei Maurer packten die Bettstatt vornan, und zwei Zimmerleute trugen sie hintennach. Es war ein wunderbarer Tag wie heute; die Bauern hatten schon den Hafer angefahren, und das Grummet lag auf den Wiesen gehäuft. Die Luft ging mild über die Stoppelfelder, und die Sonne schien warm, als sie meinen Vater nach seinem letzten Willen zum Bau brachten. Es war wie ein Leichenzug, und die Männer, die uns begegneten, blieben stehen und taten ihre Kappen ab. Unten in derKüche setzten sie dann die Bettstatt nieder; da konnte er jedes Wort hören und jeden Handgriff sehen, weil in der Höhe noch keine Bretter gelegt waren. Er hat die Hände gefaltet und hat den Handwerkern zugeschaut, wie sie die Stellsäulen aufrichteten und die Stellbäume darüber legten. Daß er glücklich war, das haben wir an seinen Augen gesehen; die leuchteten wie zwei Sterne am Himmel. Wie aber dann der Zimmermeister auf den Firstbaum hinaufstieg und den Bauherrn hochleben ließ, da war er schon tot."

"Der Mensch hat ein hartes Schicksal gehabt", seufzte die Hausfrau; "aber wenigstens ist ihm eine schöne glückliche Sterbestunde vergönnt gewesen, und das ist auch etwas wert."

"Jawohl",nickte der alte Maurer, "das weiß ich noch gut. Das war ein trauriger Hebeschmaus. Deine Mutter hat geweint, und ihr Kinder habt geweint, und die Zimmerleute haben ein Totenbrett von den Dielenpfosten abgeschnitten und haben deinen Vater daraufgelegt, und hernach haben wir erst einmal miteinander gebetet, und wie wir das Hebebier tranken, immer lag der tote Bauherr auf dem Brett zwischen uns. So etwas kommt alle hundert Jahre einmal vor, das vergißt man nicht leicht."

"Das ist auch ein Glück", lachte der Bauherr, "daß das nicht öfter vorkommt! Denn schließlich baut man sich doch sein Haus nicht nur zum Sterben, sondern auch zum Leben. Und nun trinkt, Männer, und seid lustig!"

Und sie aßen und tranken, was ihnen aufgetragen ward, vergaßen die alten Geschichten und freuten sich ihres Lebens und des heutigen Tages.
Johannes Linke

  
aus:




Zukunft und Hoffnung

Wer vertraut, hat Zukunft, wer vertraut steht fest, weil der Herr des Lebens ihn nicht fallen lässt. Lass dich nicht entmutigen, Jesus steht dir bei. Er macht deine Zukunft hell. Jesus ist dein Licht!